Nina Bretscher, viele Berufstätige arbeiten im Moment zuhause. Was raten Sie Schwangeren, die aktuell im Homeoffice sind?

Schwangere sollten unbedingt die positiven Seiten des Homeoffice nutzen. Dazu gehört, viele Pausen und Ruhezeiten einzubauen. Meistens kommen sie zuhause sogar mehr zur Ruhe als im Büro. Wir machen die Erfahrung, dass die Schwangeren im Homeoffice deutlich länger «normal» arbeiten, als wenn sie extern im Büro sind. 

Das Büro zuhause ermöglicht manchen Paaren auch mehr Zeit zu zweit – wie empfinden das die Frauen, die Sie betreuen?

Wir sind überrascht, wie positiv sich die Schwangeren dazu äussern. Die meisten geniessen die extra Zweisamkeit. Aber Achtung: Unbedingt über die Rollenverteilung und die Vorstellungen reden, wer, was im Haushalt macht. Leider rutschen die meisten Paare in eine sehr klassische Rollenverteilung, die sich dann in der ersten Zeit als Eltern noch manifestiert und es der Frau eventuell schwieriger macht, sich wieder beruflich zu engagieren nach dem Mutterschaftsurlaub.

Gerade beim Thema Geburt machen sich aktuell viele Paare Sorgen und fragen sich, ob der Partner nun dabei sein darf oder nicht. 

Ja, das stimmt, und auch das Thema limitierte Besuchszeit auf der Wochenbettstation führt zu vielen Fragen. Am besten rufen werdende Eltern in der entsprechenden Klinik an und fragen nach. Die Hebammen und Pflegefachfrauen sind immer gerne bereit, den neuesten Stand durchzugeben. Manche Kliniken aktualisieren auch ihre Website laufend zu diesen Themen. 

Viele Geburtsstationen empfehlen ambulante Geburten. Also, dass Mutter und Kind nur wenige Stunden nach der Geburt wieder nach Hause gehen. Zu welchen Reaktionen führt das bei den Schwangeren?

Die meisten erschreckt diese Vorstellung. Mit der richtigen Vorbereitung und vor allem einer Hebamme an der Seite, die bereits während der Schwangerschaft organisiert wird, kann das ambulante Wochenbett aber auch eine riesige Chance sein. Vieles kann von Anfang an im eigenen Rhythmus stattfinden, die Familie hat sehr viel Zeit, um ungestört zusammen zu sein und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten als Eltern wird von Anfang an gestärkt. 

Als frischgebackene Eltern ist man ja extrem stolz auf den Sprössling und möchte ihn der Familie und Freunden vorstellen. Das jetzt nicht mehr oder nur bedingt machen zu können, ist für viele wahrscheinlich hart. 

Ich rate den Eltern immer, den Besuchsstopp nicht als Fluch, sondern als Segen anzuschauen. Durch die ruhigen Tage ohne Störungen haben die meisten Frauen im Wochenbett im Moment auffällig weniger Stillprobleme und auch mehr Milch. Dies ist nicht nur im häuslichen Wochenbett so. Das ist auch eine Beobachtung von den Hebammen und Stillberaterinnen der Frauenklinik im stationären Wochenbett. 

Wie sieht es mit der Unterstützung im Wochenbett von Eltern oder Freunden aus - wie können sie die Familie in Zeiten von Corona unterstützen?

Besuch als Unterstützung geht in Zeiten von Corona nur bedingt, ist aber trotzdem möglich. Der Besuch kann zum Beispiel Malzeiten kochen und es vor die Tür stellen. Oder er kann die Wäsche abholen und fixfertig wieder bringen. Wir raten den Paaren sehr aktiv dazu, die Familie konkret einzubeziehen, da diese es meistens sehr schätzt, etwas Sinnvolles zu leisten und sich gleichzeitig als «Teil des Rudels» fühlt.

Die Empfehlungen vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind grundsätzlich eine sinnvolle Orientierungshilfe. Wie sollen frischgebackene Eltern damit umgehen? 

Ich denke, das muss jede Familie für sich entscheiden. Ist es für sie zum Beispiel in Ordnung, die eigenen Eltern im Garten zu treffen? Dürfen sie das Neugeborene kurz auf den Arm nehmen? Ist es einem selbst nur wohl, wenn der Besuch eine Maske trägt? Wahrscheinlich haben Mutter und Vater dazu unterschiedliche Meinungen und Gefühle. Wie immer lohnt sich auch da ein Gespräch, um einen Mittelweg zu finden. 

Zum Schluss: Was raten Sie werdenden Eltern in der Coronakrise? 

Als frischgebackene Eltern macht man sich manchmal zu viele Gedanken und hat oft Ängste. Momentan werden diese noch verstärkt durch sehr viele Unsicherheiten und gefährliches Halbwissen. Mein Tipp dazu: Konsumieren Sie Corona- News maximal einmal täglich und nur via einer verlässlichen Quelle wie zum Beispiel die Tagesschau oder die Website des BAG. Alles andere können Sie getrost ignorieren und sich mit den «normalen» Ängsten des Elternseins beschäftigen.

Nina Bretscher ist bei Stadtkinder-Hebammen als selbstständige Beleghebamme in der Frauenklinik Bern tätig. Dort begleitet sie Frauen während der Schwangerschaft, der Geburt und anschliessend im Wochenbett.

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