Als der Bundesrat im März die ausserordentliche Lage ausrief, machten sich schweizweit intelligente Köpfe an die Arbeit. Als Teil einer Organisation oder aus eigener Initiative lancierten sie Online-Gruppen, Websites und Apps für die Nachbarschaftshilfe oder entwickelten diese weiter. Die meisten Angebote können auch heute noch genutzt werden. Wir stellen sechs Projekte vor und lassen zwei Macherinnen sowie einen Macher zu Wort kommen.

Facebook-Gruppe «Gärn gschee – Bärn hiuft»

In fast jeder Schweizer Region riefen Private auf Facebook eine Gruppe für Nachbarschaftshilfe ins Leben. Die Idee: Wer Unterstützung benötigt, verfasst einen Beitrag – wer helfen kann, antwortet. Auch im Berner Ableger war viel Hilfsbereitschaft zu spüren. Vermittelt wurden nicht nur Einkaufshilfen, sondern auch Gesellschaftsspiele, Bücher, ein E-Bike, Parkplätze für Mitarbeitende des Inselspitals und viele Sozialkontakte.

Markus Maurer

Der Digitalexperte betreut zusammen mit neun anderen Freiwilligen die Gruppe «Gärn gschee – Bärn hiuft». «Wir haben eine Facebook-Gruppe gegründet, um den Menschen genau dort ein Vermittlungsangebot zu bieten, wo sie unterwegs sind. Obwohl wir keine App entwickeln mussten, ist der Aufwand gross, denn eine rege genutzte Gruppe braucht Betreuung. Das Angebot hat unzählige schöne Geschichten hervorgebracht. Ein Herr aus der Ostschweiz zum Beispiel fand eine Person, die sich nun in Bern um seine betagte Mutter kümmert. Solange Corona nicht endgültig vorbei ist, bleibt die Gruppe in Betrieb – danach schauen wir weiter.»

Gesprächsplattform «Binenand»

Einfach reden – damit die emotionale Nähe nicht zu kurz kommt. Auf der Website «Binenand» ist genau das möglich. Nur Ton, kein Video, kein Profilbild und keine Ahnung, bei wem man landet. Das System verbindet nämlich zufällig und anonym zwei Fremde. Ja, das braucht etwas Mut, verspricht aber interessante Gespräche und Nähe zu Menschen, denen man sonst kaum je begegnen würde.

Kafi Freitag

Die für ihren Ideenreichtum bekannte Zürcherin liess «Binenand» in kürzester Zeit entwickeln. «Als Coach weiss ich: Wir sind nicht für die Isolation gemacht, wir brauchen andere Menschen zum Reden. Darum steht bei ‹Binenand› das Gespräch im Zentrum, nichts anderes. Meine Hoffnung ist, dass sich so Menschen treffen, die sich gut verstehen und im besten Fall in Kontakt bleiben. Das Interesse war von Anfang an riesig und das Feedback positiv: Wer es probiert, findet es toll. Ich freue mich, dass diese Freude anhält. Solange sich Menschen drauf tummeln, soll ‹Binenand› am Leben bleiben.»

Helfer-App «Five up»

Hinter «Five up» stehen unter anderem das Schweizerische Rote Kreuz und die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft. Mit der 2019 lancierten App vernetzen sich Privatpersonen, Vereine und Organisationen öffentlich oder in geschlossenen Gruppen mit Freiwilligen. So können kleine und grosse Projekte mit wenig Aufwand koordiniert werden. In der Corona-Krise haben sich die Nutzungszahlen verfünffacht.

Maximiliane Basile

Die Bielerin hatte die Idee zu «Five up» und ist CEO der eigens gegründeten Five up Community AG. «Will man über Facebook oder WhatsApp ein Projekt koordinieren, entsteht rasch eine unübersichtliche Nachrichtenflut. Deshalb haben wir eine eigene App entwickelt – mit genau den richtigen Funktionen, um Helferinnen und Helfer zu finden und zielgerichtet mit ihnen zu kommunizieren. Dann kam Corona und wir entwickelten die App für diese neue Situation weiter. Mit vielen Erfolgserlebnissen: Wir vermittelten jemanden für einen Einsatz auf einer abgelegenen Alp, brachten aber auch Leute zusammen, die einfach nur plaudern wollen. So entstanden nebst Hilfspartnerschaften auch Freundschaften.»

Die offizielle App «SwissCovid»

Sie hilft, Kontaktketten nachzuverfolgen, damit potenziell angesteckte Personen freiwillig in Quarantäne gehen können. Dazu registriert die App, in wessen Nähe man sich aufhält, und meldet, wenn jemand aus diesem Personenkreis später positiv auf Covid-19 getestet wird. Alles vollkommen anonym und ohne Standortdaten aufzuzeichnen. Besonders wichtig: Das System funktioniert dann am besten, wenn möglichst viele die App nutzen.

Online-Training von «Paarlife»

Wenn Paare über Wochen gemeinsam zu Hause sitzen, kann die ständige Nähe auch zu viel werden. Die Universität Zürich hat unter ihrem Angebot «Paarlife» während des Lockdowns ein kostenloses Online-Training aufgeschaltet, in dem Paare lernen können, besser mit Stress und Konflikten umzugehen. Das interaktive Training mit Theorie, Instruktionsvideos und Übungen wird weiterhin kostenlos angeboten.

Kommunikationssystem «CARU»

Man stelle sich einen kleinen Lautsprecher auf dem Tisch oder auf der Kommode vor. Wenn das Grosi reinspricht, antwortet nicht die künstliche Stimme eines Voice Assistants, sondern der eigene Sohn oder die Enkelin. CARU bringt per Sprachbefehl die Familie näher zusammen. Und wenn einmal etwas passiert, ist das smarte Gerät auch ein Notrufsystem.