Dr. Christine Blume

Dr. Christine Blume ist Schlafforscherin am Zentrum für Chronobiologie der Universität Basel und Schlaftherapeutin in der Schlafambulanz der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. Ein Schwerpunkt ihrer Forschung ist die Auswirkung von Tageslicht und elektrischem Licht auf die innere Uhr und den Schlaf.

Was sind «Schlafhormone»?

Botenstoffe wie Melatonin und Cortisol werden populärwissenschaftlich oft als «Schlafhormone» bezeichnet. Tatsächlich ist ihr komplexes Zusammenspiel für die Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus zentral: Melatonin fördert den Schlaf, während Cortisol gegen Ende der Nacht das Aufwachen vorbereitet und am Tag für Wachheit sorgt. «Melatonin ist jedoch kein ‘Schlafhormon’, sondern eigentlich ein ‘Dunkelhormon’», so Dr. Blume. Es führt nicht automatisch zum Schlaf – bei nachtaktiven Tieren hat es sogar den gegenteiligen Effekt und macht sie wach.

 

«Melatonin ist kein ‘Schlafhormon’, sondern eigentlich ein ‘Dunkelhormon’»

 

Wie wirkt Melatonin?

Melatonin wird nachts in der Zirbeldrüse im Gehirn gebildet. Etwa zwei bis drei Stunden vor der üblichen Zubettgehzeit steigt der Melatoninspiegel an. Melatonin signalisiert dem Körper, dass es Zeit zum Schlafen ist – und beeinflusst dabei auch die Körpertemperatur. «Die schlaffördernde Wirkung entsteht vermutlich vor allem dadurch, dass sich die kleinen Blutgefässe in Händen und Füssen weiten», erklärt Schlafforscherin Dr. Christine Blume. «Dadurch wird mehr Wärme abgegeben, die Körpertemperatur sinkt – und genau dieses Absinken ist entscheidend für Müdigkeit und Schlaf.» Helles Licht kann die Melatonin-Produktion unterdrücken und verzögern, da es der inneren Uhr suggeriert, es sei noch gar nicht so spät.

Melatonin und seine Wirkung auf den Schlaf

Melatonin spielt eine wichtige Rolle für den Schlaf. Ein Mangel an Melatonin ist jedoch nicht unbedingt die Ursache für Schlafprobleme. So gibt es Menschen, die gar kein Melatonin produzieren, zum Beispiel weil ihnen die Zirbeldrüse entfernt wurde. Oder weil bestimmte Medikamente die Produktion unterdrücken. «Diese Menschen schlafen nicht zwangsläufig schlecht», weiss die Expertin. «Auch die Tatsache, dass wir tagsüber ein Nickerchen machen können, obwohl wir kein Melatonin produzieren, zeigt, dass der Zusammenhang weniger stark ist als oft angenommen.» Wie viel Melatonin jemand produziert, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Normwerte für Melatonin gibt es nicht. Auch im Schlaflabor wird der Melatoninspiegel nur in Ausnahmefällen und auf Wunsch der Patientin oder des Patienten bestimmt – und zwar dann, wenn es darum geht, ob jemand ein extremer Spättyp («Eule») oder Frühtyp («Lerche») ist.

Banane, Kirschsaft, Walnüsse: Erhöhen bestimmte Lebensmittel die Melatonin-Produktion?

Obwohl Lebensmittel wie Bananen, Kirschsaft oder Walnüsse Melatonin enthalten, ist der Gehalt so gering, dass das enthaltene Melatonin keinen messbaren Einfluss hat. Dr. Blume nennt ein Beispiel: Um 1 Milligramm Melatonin aus Tomaten zu bekommen, müsste man etwa 68 Kilogramm Tomaten essen. Fazit: Die Vorstellung, den Melatonin-Haushalt und den Schlaf über die Ernährung steuern zu können, ist unrealistisch.

 

«Die Vorstellung, den Melatonin-Haushalt und den Schlaf über die Ernährung steuern zu können, ist unrealistisch.»

 

Wann ist die Einnahme von Melatonin als Schlafmittel sinnvoll?

Melatonin-Sprays, Gummibärchen und Tabletten werden immer öfter als «natürliche» Einschlafhilfe und «Schlafhormone» beworben. Laut Dr. Blume weckt dies oft falsche Erwartungen: «Diese Mittel sind bei chronischen Schlafstörungen aufgrund ihrer geringen Wirksamkeit nicht empfehlenswert. Melatonin ist kein Schlafmittel», erklärt sie.
Während viele Melatonin-Präparate in Deutschland und anderen europäischen Ländern rezeptfrei in Drogerien und Apotheken als «Schlafhormone» erhältlich sind, ist der Verkauf in der Schweiz sehr viel strenger reguliert: Die Kapseln werden in der Apotheke nur auf ärztliche Verordnung herausgegeben oder hergestellt.
Eine gezielte, kurzfristige Einnahme von Melatonin als Schlafmittel kann sinnvoll sein, um den Schlaf-Wach-Rhythmus zu regulieren. Besonders in Situationen, in denen der Körper kaum Melatonin produziert – etwa am Tag – wird dem Körper so signalisiert, dass es nun Nacht ist. Dazu zählen:

  • Jetlag: Melatonin kann helfen, die innere Uhr schneller an eine neue Zeitzone anzupassen und trotz Zeitverschiebung besser zu schlafen.
  • Verzögertes Schlafphasensyndrom («extreme Eulen»): Menschen, die erst sehr spät müde werden und schlafen können, können ihre Schlafenszeit etwas vorverlegen.
  • Schichtarbeit: Die Einnahme kann dabei unterstützen, den Schlaf bei wechselnden Arbeitszeiten zu verbessern.
  • Ältere Menschen: Da die körpereigene Melatonin-Produktion mit dem Alter abnehmen kann, kann ein entsprechendes Medikament den Schlaf unterstützen. Dabei handelt es sich um ein generell verschreibungspflichtiges Präparat, das über mehrere Stunden Melatonin freisetzt.

Melatonin: Nebenwirkungen und mögliche Nachteile

Der Umgang mit Melatonin ist weltweit unterschiedlich. Während es in der Schweiz verschreibungspflichtig ist, wird es beispielsweise in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Dr. Christine Blume warnt, dass bei frei verkäuflichen Melatonin-Produkten aus dem Ausland Reinheit und Dosierung oft unzuverlässig sind. Studien zeigen, dass der tatsächliche Melatonin-Gehalt selbst innerhalb einer Packung stark schwanken kann. Besonders problematisch sind Melatonin-Gummibärchen: Geraten sie in Kinderhände, kann es leicht zu einer Überdosierung kommen.

Nebenwirkungen

Melatonin-Produkte sind zwar meist gut verträglich. Vereinzelt können jedoch folgende Nebenwirkungen auftreten:

  • Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Schwindel
  • Intensivere Träume
  • Tagesmüdigkeit und Konzentrationsprobleme

Ohne ärztliche Rücksprache sollte Melatonin nicht länger als vier Wochen eingenommen werden, da die langfristige Wirksamkeit bei chronischen Schlafproblemen gering ist. Die Tageshöchstdosis liegt bei 5 Milligramm.

Die Rolle von Tageslicht: Melatonin und Cortisol

Tageslicht ist die wichtigste Orientierungshilfe für unsere innere biologische Uhr und beeinflusst massgeblich unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. Diese innere Uhr steuert die Produktion wichtiger Hormone wie Melatonin, Cortisol und des Botenstoffs Serotonin zum richtigen Zeitpunkt. Helles Licht am Morgen unterdrückt die Restproduktion von Melatonin, während der Cortisolspiegel besonders nach dem Aufstehen schnell ansteigt und im Laufe des Tages wieder sinkt. «Wer tagsüber ausreichend natürliches Licht tankt und abends künstliches Licht reduziert, unterstützt seine innere Uhr und kann die Schlafqualität verbessern», sagt die Schlafforscherin.

Wann kann elektrisches Licht den Schlaf beeinträchtigen?

Kurzwelliges, «blaues» Licht, das auch von Bildschirmen ausgeht, macht wach und kann die Melatoninproduktion hemmen. Dabei gibt es individuelle Unterschiede in der Empfindlichkeit gegenüber Licht am Abend. Einige Studien weisen darauf hin, dass «blaues» Licht die Einschlafzeit verlängern kann. Dr. Christine Blume rät daher, das Licht des Bildschirms abends möglichst zu dimmen, einen Blaulichtfilter zu verwenden oder das Smartphone in den Nachtmodus zu schalten. Gemütlich-warme Lichtquellen können zudem helfen, die negativen Effekte des Lichts auf den Schlaf zu begrenzen.

4 Alltagstipps für einen besseren Schlaf

Viele Ratschläge zur Steigerung der Melatonin-Produktion auch über die Ernährung haben keine wissenschaftlich belegte Wirkung. Das Verhalten am Tag und am Abend kann jedoch dazu beitragen, den Schlaf-Wach-Rhythmus zu stabilisieren und so den Schlaf zu verbessern.

  1. Regelmässiger Schlaf-Wach-Rhythmus

    Versuchen Sie, jeden Tag ungefähr zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen und aufzustehen. Diese Konstanz hilft Ihrer inneren Uhr, besser vorherzusagen, wann es Zeit ist, den Körper auf die Nacht einzustimmen und Melatonin zu produzieren. Ein regelmässiger Rhythmus fördert einen erholsamen Schlaf.

  2. Morgens bald raus ans Licht

    Setzen Sie sich nach dem Aufstehen möglichst schnell dem natürlichen Tageslicht aus. Das synchronisiert Ihre innere Uhr mit dem Hell-Dunkel-Rhythmus der Umwelt. Besonders für Spättypen kann dies von Vorteil sein: Licht am Morgen kann dazu führen, dass die Melatonin-Produktion am Abend früher angestossen wird, sodass Sie früher müde werden und mehr Zeit für erholsamen Schlaf haben.

  3. Am Tag viel Licht tanken

    Nutzen Sie den Tag, um sich möglichst viel Tageslicht zu gönnen. So beginnt Ihre Melatonin-Produktion am Abend rechtzeitig, und Sie werden früher müde. Tageslicht kann zudem den Tiefschlafanteil erhöhen und Ihre Schlafqualität insgesamt verbessern.

  4. Abends Licht reduzieren

    Dimmen Sie abends die Helligkeit Ihrer Bildschirme und aktivieren Sie den Nachtmodus. Besonders bei Geräten, die Sie nah am Auge halten, wie Tablets oder Handys, kann das «blaue» Licht die Melatonin-Produktion hemmen. Zusätzlich sollten Sie warme, gedämpfte Lichtquellen im Raum verwenden: Das hilft, Ihren Körper auf die Nacht vorzubereiten und fördert ein natürliches Einschlafen.

Wann sollte ich bei Schlafstörungen zum Arzt?

Jeder schläft mal schlecht – doch ab wann spricht man von einer echten Schlafstörung? Wann ist ärztlicher Rat nötig? «Von einer Schlafstörung – auch Insomnie genannt – spricht man, wenn Ein- oder Durchschlafstörungen und/oder ein zu frühes Erwachen in mindestens drei Nächten pro Woche auftreten und den Alltag beeinträchtigen. Und das über einen Zeitraum von mindestens einem Monat», sagt Dr. Blume. Auch wenn man sich trotz vermeintlich ausreichendem Schlaf ständig erschöpft fühlt, ist ein Arztbesuch ratsam, um Schlafstörungen wie Schlafapnoe mit Atemaussetzern, Parasomnien (z. B. Schlafwandeln, Albträume) oder das Restless-Legs-Syndrom abzuklären.

Wie bereite ich mich auf das Arztgespräch vor?

Eine gute Vorbereitung ist wichtig, damit die Ärztin oder der Arzt Ihre Schlafstörungen richtig einschätzen kann:

  • Schlaftagebuch führen: Notieren Sie über einen Zeitraum von etwa zwei Wochen regelmässig, wann Sie ins Bett gehen, wann Sie aufstehen, wie lange Sie wach liegen, obwohl Sie schlafen möchten, und wie Sie sich am Morgen fühlen.
  • Tagesverfassung beobachten: Dokumentieren Sie Ihre Erschöpfung und Tagesmüdigkeit sowie andere Symptome wie zum Beispiel Konzentrationsschwierigkeiten, die Sie mit schlechtem Schlaf in Verbindung bringen.
  • Angehörige befragen: Bei Anzeichen wie Schnarchen, Atemaussetzern oder ungewöhnlichem Verhalten im Schlaf können die Beobachtungen Ihrer Bettpartnerin oder Ihres Bettpartners oder von Mitbewohnenden wertvolle Hinweise liefern.
  • EverAsk: Mit dem Online-Service EverAsk der KPT können Sie einen Spickzettel mit wichtigen Fragen erstellen, ausdrucken oder digital mit in die Besprechung nehmen.

Für Eulen und Lerchen: Pulse – die ambulante Zusatzversicherung der KPT

Ob Sie schon frühmorgens joggen oder als Eule lieber abends zum Yoga gehen: Pulse, die ambulante Zusatzversicherung der KPT, unterstützt Sie mit umfassenden Leistungen– von Stressprävention bis hin zum Fitness. Neben Freizeitaktivitäten übernimmt Pulse auch Kosten für Vorsorgeuntersuchungen, Therapien und weitere gesundheitsfördernde Massnahmen. Wählen Sie die passenden Leistungen für Ihr Wohlbefinden und nehmen Sie Ihre Gesundheit selbst in die Hand.

Pulse Eco, Top und Premium

Profitieren Sie von maximaler Leistung und Komfort. Berechnen Sie jetzt Ihre Prämie für die Pulse-Versicherung.