Die Frühlingsmüdigkeit scheint paradox. Endlich wieder längere und wärmere Tage, die Blumen blühen, die Vögel zwitschern. Doch manchmal will sich das Frühlingserwachen so gar nicht einstellen: Wir sind antrieblos und müde, können kaum die Kaffeetasse heben, geschweige denn die Joggingrunde absolvieren. Was ist da los im Frühling? 

Dr. med. Jens Georg Acker ist Chefarzt an der Klinik für Schlafmedizin in Bad Zurzach und Zürich. Der Neurologe, Psychologe und Schlafmediziner behandelt mit seinem Team jährlich rund 5000 Patientinnen und Patienten mit Schlaf- und Wachstörungen.

Was ist Frühlingsmüdigkeit? 

Schätzungen zufolge kämpft jeder zweite Erwachsene mit Müdigkeit im Frühling. Sie tritt zwischen Mitte März und Mitte April auf und hält in der Regel einige Wochen an. Studien, verlässliche Zahlen oder klinische Diagnosen zur Frühlingsmüdigkeit gibt es nicht. «Messen lässt sie sich nicht», sagt Dr. med. Jens Georg Acker. Sie ist keine Krankheit – aber auch keine Bagatelle oder gar Einbildung. 

«Um die Frühlingsmüdigkeit zu verstehen, muss man das umgekehrte Phänomen, den Winterblues, kennen», erklärt der Schlafmediziner. Studien zufolge leiden 15 bis 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung darunter: Sie ziehen sich zurück, haben weniger Antrieb, mehr Appetit auf Süsses und eine etwas schlechtere Stimmung. «Das ist ein normales physiologisches Phänomen, das genau wie die Frühlingsmüdigkeit mit dem Licht zu tun hat», so der Experte. Beides zeige, dass wir Teil des natürlichen Kreislaufs sind. 

«Die Frühlingsmüdigkeit ist wie ein Jetlag für unsere innere Uhr.»

Mit Beginn des Frühlings stellt die Natur ihre Uhr um – und wir Menschen mit der Zeitumstellung auch die unsere. Das sei eine doppelte Belastung. «Die Frühlingsmüdigkeit ist wie ein Jetlag für unsere innere Uhr. Sie ist ein natürliches Übergangsphänomen bei der Umstellung vom Winter- auf den Sommermodus.» 

Typische Symptome der Frühlingsmüdigkeit 

Frühlingsmüdigkeit äussert sich tagsüber durch starke Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Abgeschlagenheit – trotz ausreichend Schlaf. Bei manchen Menschen kommen Schwindel, Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwankungen hinzu. Dies kann zu ständiger Gereiztheit, verminderter Leistungsfähigkeit und weniger Energie bis hin zu depressiven Verstimmungen führen. 

Hormonumstellung macht müde

Was genau macht die Umstellung vom Winter auf den Frühling so anstrengend? «Die Tage werden länger und das intensivere Sonnenlicht ist sicher der wichtigste Faktor für die Frühlingsmüdigkeit», meint Dr. Acker. «Hinzu kommt, dass wir uns wieder mehr im Freien bewegen, der Körper produziert vermehrt das Tageslichthormon Serotonin – und ein rascher Anstieg des Serotoninspiegels macht müde.» Zudem macht uns die zunehmende Wärme zu schaffen: Die Blutgefässe weiten sich, der Blutdruck sinkt. Das kann vor allem bei Menschen mit niedrigem Blutdruck zu Müdigkeit und Schwindel führen. 

Künstliches Licht schädlicher als gedacht

Ein weiterer Faktor: «Der Einfluss von dauerhaftem Kunstlicht auf unsere Gesundheit wird massiv unterschätzt», so Dr. Acker. Unser natürlicher Schlaf-Wach-Rhythmus wird durch künstliches Licht empfindlich gestört. Es unterdrückt die nächtliche Produktion des Dunkelhormons Melatonin. Das gilt auch für das Licht zu Hause: Eine Studie zu Schlafstörungen zeigte, dass Frauen beim Abschminken vor dem hellen Badezimmerspiegel der stärksten Lichteinstrahlung des Tages ausgesetzt waren – ausgerechnet kurz vor dem Schlafengehen.

«Raus ans Tageslicht und sich in der Natur bewegen, am besten jeden Morgen für etwa 30 Minuten.»

Schlüssel zur Frühlingsfitness: Rhythmus, Licht und Bewegung

Wie lange die Frühlingsmüdigkeit individuell anhält, hängt auch von unserem Verhalten ab, weiss der Arzt aus Erfahrung: «Wir müssen aktiv etwas tun, um unseren Rhythmus zu stabilisieren.» Aus chronomedizinischer Sicht empfiehlt er: «Raus ans Tageslicht und sich in der Natur bewegen, am besten jeden Morgen für etwa 30 Minuten.» Das bringe auch bei Ein- und Durchschlafstörungen den grössten Erfolg. Gesunde Ernährung ist ein weiterer wichtiger Faktor. Und ausreichend Schlaf: «Verfallen Sie nicht zu oft in den Social Jetlag, also die Verschiebung des eigenen Schlaf-Wach-Rhythmus zugunsten des sozialen Lebens.» 

Menschen reagieren unterschiedlich auf Zeitumstellung

Manche Menschen vertragen die Zeitumstellung – zusätzlich zum Wechsel der Jahreszeiten – deutlich schlechter als andere. Betroffen sind vor allem die extremen Chronotypen Lerche und Eule, die sich nur langsam an die veränderten Lichtverhältnisse anpassen. Viele Fachgesellschaften und Schlafmediziner, darunter auch Dr. Acker, fordern daher eine einheitliche Zeit: «Aus gesundheitlichen Gründen wäre es wünschenswert die Winterzeit, die ursprüngliche Normalzeit, beizubehalten.»

Das hilft: 6 Tipps gegen Frühlingsmüdigkeit

  1. Raus ans Licht und bewegen

    Tanken Sie Tageslicht und zelebrieren Sie eine morgendliche Aktivität: einen Waldspaziergang oder Yoga auf der Terrasse. Büromenschen steigen eine Station früher aus dem Bus und gehen zu Fuss. Licht und Bewegung haben eine therapeutische Wirkung. Einzige Bedingung: Sie sollten mindestens 30 Minuten aktiv sein. Smartphones oder Fitness-Tracker am Handgelenk helfen, den inneren Schweinehund zu überwinden.

  2. Ausreichend Schlaf macht fit

    Der frühe Wecker für die Walkingrunde bedeutet: Man muss früher ins Bett. Ausreichend Schlaf und regelmässige Schlafzeiten sind wichtig, um die innere Uhr zu rhythmisieren. Eine dunkle, kühle Schlafumgebung ist hilfreich – der Müdigkeit nachgeben und länger schlafen nicht. 

  3. Gesund und ausgewogen essen

    Nach der üppigen Winterkost darf es im Frühling wieder leichter sein: Setzen Sie auf eine gesunde und vitaminreiche Ernährung mit frischem Gemüse, Salat, Obst, Vollkornprodukten, Nüssen und magerem Fleisch oder Fisch. Ausreichend Wasser trinken sorgt für einen klaren Kopf. 

  4. Kunstlicht am Abend reduzieren

    Lichtverschmutzung gilt heute als Umweltbelastung und kann uns krank machen. Das allgegenwärtige künstliche Licht stört unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. Das gilt auch für die Beleuchtung zu Hause: Achten Sie darauf, abends das Licht zu dimmen. Wie wäre es mit einem Nachtessen bei Kerzenschein? 

  5. Ausgleich schaffen

    Sie fühlen sich nicht nur müde, sondern auch gestresst? Dann könnte das Stresshormon Cortisol Ihren Schlaf-Wach-Rhythmus zusätzlich durcheinanderbringen. Denn Cortisol hält wach und hemmt die Melatoninproduktion. Meditation, Entspannungsübungen oder Waldbaden helfen, Stress abzubauen.

  6. Sich auf den Sommer freuen

    Nur noch drei Monate bis zum Sommer! Hilfreiche, positive Gedanken unterstützen Ihre psychische Gesundheit. Lassen Sie sich gedanklich nicht zu sehr in die Müdigkeit hineinziehen. Sehen Sie die Frühlingsmüdigkeit als Etappe auf dem Weg in die warme Jahreszeit. 

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