Chow Ling Prager ist Psychotherapeutin und Coachin bei WePractice in Zürich. Seit 2009 begleitet sie Menschen in Belastungssituationen.

Was bedeutet eigentlich Mental Load?

Es geht dabei um die psychische Belastung, die das Organisieren des Alltags mit sich bringt, in der Regel bezogen auf das Familienleben. Wenn zum Beispiel eine Mutter alle anstehenden Termine im Kopf hat – die Klavierstunde der Tochter, den anschliessenden Zahnarztbesuch des Sohnes und den Einkauf fürs Abendessen. Wenn sie erste Ansprechpartnerin für Grosseltern (der Kindergeburtstag!), Nachbarn (der Waschplan!) und die Eltern der Gspänli ist. Sie fühlt sich verantwortlich für die Suche nach einem Feriendomizil und denkt an alles, was bis zur Abreise noch erledigt werden muss. Sie tröstet, verteilt Lob und steckt Kritik für geleistete Arbeit locker weg. 

Der Mental Load ergibt sich bereits aus der Verantwortlichkeit und wird noch verstärkt, wenn dieselbe Person diese weitgehend unsichtbaren Aufgaben auch selbst ausführt.

Ist Mental Load zwangsläufig ein gesundheitliches Problem?

Nein. Aber besonders dann, wenn die Verantwortung nicht auf mehrere Schultern verteilt ist, kann die hohe Belastung der Psyche zum «mental Overload» werden und gesundheitliche Probleme mit sich bringen. Zusätzlich belastend wirkt, dass der Mental Load von jenen, die keine Verantwortung tragen, oft nicht als Belastung wahrgenommen wird. Hält dieser Zustand über lange Zeit ohne genügend Ruhepausen an, steigt der Stresslevel. Das kann zu Burnout, Depression, Angststörungen und anderen psychischen Erkrankungen führen.

Zusätzlich belastend wirkt, dass der Mental Load von jenen, die keine Verantwortung tragen, oft nicht als Belastung wahrgenommen wird. 

Welche Stress-Symptome deuten darauf hin, dass ich unter Mental Load leide?

Deutliche Symptome sind Schlafschwierigkeiten, Erschöpfung, Müdigkeit, Gereiztheit, Vergesslichkeit, Konzentrationsschwierigkeiten. Wenn Sie keine Prioritäten setzen können, Aufgaben nicht mehr delegieren und sich dauernd überfordert oder gestresst fühlen, haben Sie höchstwahrscheinlich ein Problem.

Erkenne ich schädlichen Mental Load leichter bei anderen als bei mir selbst?

Ja, weil es oft schwierig ist, die eigene Belastung und die Auswirkungen auf die eigene mentale Gesundheit objektiv zu beurteilen. Als Menschen gewöhnen wir uns an vieles und haben das Gefühl, es sei normal, im Alltag grossen Belastungen ausgesetzt zu sein.

Wer ist am häufigsten betroffen?

Ich möchte betonen, dass jeder Mensch betroffen sein kann, unabhängig von Geschlecht, Beruf oder Familienstand. Häufig sind aber Alleinerziehende oder Eltern mit wenig sozialer Unterstützung stark belastet. Und grundsätzlich eher Mütter als Väter, weil sie meist mehr Verantwortung im Haushalt übernehmen, mehr Care-Arbeit verrichten und sich um die emotionalen Bedürfnisse der Familienmitglieder kümmern. Zugespitzt formuliert: Sie hält die Fäden in der Hand, organisiert und plant – er hilft zwar mit, beteiligt sich aber nicht an der Denkarbeit.

Jeder Mensch kann von Mental Load betroffen sein, unabhängig von Geschlecht, Beruf oder Familienstand.

Spielen persönliche Eigenschaften ebenfalls eine Rolle?

Es gibt zwei Persönlichkeitsmerkmale, die die Auswirkungen von Mental Load verstärken: Perfektionismus, weil er viel Zeit und Energie verschlingt. Und Neurotizismus, also emotionale Verletzlichkeit, weil Menschen mit dieser Eigenschaft Sorgen und Ängste intensiver erleben.

Sind Frauen auch dann eher betroffen, wenn Männer die Hälfte der Alltagslast übernehmen?

In der Gesellschaft gibt es immer noch geschlechtsspezifische Rollenbilder und Erwartungen: Demnach sind die Mütter eher als die Väter für die Organisation des Familienlebens und der Kinderbetreuung verantwortlich. Das führt dazu, dass tatsächlich Frauen häufiger von Mental Load betroffen sind, gemäss Studien auch dann, wenn der Partner die Hälfte der Familienarbeit übernimmt.

Rollenbilder in der Gesellschaft tragen dazu bei, dass Frauen häufiger von Mental Load betroffen sind als Männer.

Macht Männern der Mental Load auch deshalb weniger aus, weil sie anders damit umgehen?

Wenn es um Hausarbeit geht, neigen Männer dazu, ihre Aufgaben als nicht so wichtig einzuschätzen. Die Verantwortung, die sie übernehmen, belastet sie dann weniger, als es bei Frauen der Fall ist. Wenn sie die Belastung aber spüren, halten sie ihre Emotionen zurück. Sie wirken dann bloss unbelastet und verpassen es, sich Hilfe zu suchen. Frauen dagegen sprechen eher darüber. Das Thema ist bei ihnen präsenter.

Gibt es Mental Load auch im Berufsleben?

Absolut. Wie in der Familie gibt es im Arbeitsalltag viele Aufgaben, die organisiert, koordiniert und erledigt werden müssen. Verantwortung und Denkarbeit sind auch im Beruf für viele unsichtbar. Im Arbeitsumfeld sprechen wir allerdings eher von mentaler oder kognitiver Belastung, der Begriff Mental Load zielt klar aufs häusliche Umfeld.

Wann ist es ratsam, externe Hilfe zu beanspruchen?

Das hängt von der Dauer, Art und Schwere des Mental Load ab, auch von den persönlichen Bewältigungsstrategien. Generell gilt: Hilfe von aussen braucht es dann, wenn der Mental Load das Leben stark beeinträchtigt, beispielsweise zu Schwierigkeiten beim Erledigen von alltäglichen Aufgaben führt, zu Beziehungsproblemen oder einer Verschlechterung der Arbeitsleistung. Oder wenn sich Stresssymptome wie Schlafstörungen und Angstzustände bemerkbar machen. Oder sobald Sie spüren, dass sich der Mental Load körperlich auswirkt, zum Beispiel bei Energiemangel, chronischen Schmerzen, Magen- und Darmproblemen oder Übersensibilität.

Wo erhalte ich professionelle Hilfe?

Auf privater Ebene können Sie sich an spezialisierte Psychologen und Therapeutinnen wenden. Mögliche Anlaufstellen sind auch die Elternberatung oder der Elternnotruf. 

Über diese Webseiten finden Sie weiterführende Informationen und konkrete Hilfe:

So entkommen Sie der Mental-Load-Falle: 9 Tipps

  1. Ansprüche hinterfragen

    Seien Sie selbstkritisch in Bezug auf Ihre Werte und Überzeugungen. Möglicherweise verlangen Sie zu viel von sich und anderen. Verabschieden Sie sich vom Perfektionismus! 

  2. Prioritäten setzen

    Unterscheiden Sie zwischen wichtigen und weniger wichtigen Aufgaben – und verschwenden Sie keine Kraft für Dinge, die offensichtlich keine Priorität haben.

  3. «Nein» sagen

    Setzen Sie nebst Prioritäten auch Grenzen: Sagen Sie mit gutem Gewissen «nein» zu Aufgaben, die Sie übermässig fordern.

  4. Über Mental Load reden

    Teilen Sie sich mit und nennen Sie das Kind beim Namen: Den Mental Load – das Organisieren des Alltags – empfinden Sie als Belastung. Tun Sie das ohne Schuldzuweisungen.

  5. Verantwortung delegieren

    Auch das gehört zur Beziehungsarbeit: Besprechen Sie gemeinsam, wie Sie die unsichtbare Last gerechter aufteilen. Verteilen Sie nicht nur Aufgaben, sondern auch Verantwortung.

  6. Zeit einteilen

    Notieren Sie sich, was Sie wann erledigen wollen – zum Beispiel im Mental-Load-Tagebuch weiter unten. Und legen Sie Wert darauf, sich daran zu halten.

  7. Entspannung praktizieren

    Yoga, Meditation, Progressive Muskelentspannung und Übungen für mehr Achtsamkeit sind bewährte Mittel gegen Stress. Auch ein Bad in der Wanne kann Wunder wirken.

  8. Zeit für mich

    Nehmen Sie sich die Zeit, etwas zu unternehmen, das Ihnen Freude bereitet. Tanken Sie Kraft in der Natur, achten Sie auf eine gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf.

  9. Pausen machen

    Bewusste Phasen der Erholung und des Nichtstuns sind wichtig, um den Kopf zu entlasten und Ihre Resilienz zu stärken.

Vorlage für Ihr Mental-Load-Tagebuch

Entkommen Sie dem Stress, indem Sie sich einen Überblick über Ihre täglichen Aufgaben verschaffen. Lernen Sie dabei, Prioritäten zu setzen und Verantwortung weiterzugeben. Das regelmässige Journaling kann Ihnen dabei helfen, sich achtsam mit Ihren Gedanken und Gefühlen auseinander zu setzen. Sie dokumentieren Ihre persönliche Entwicklung und stärken Ihre Selbstwirksamkeit; das Gefühl, selbst etwas in die Hand nehmen zu können und sein Leben bewusst zu gestalten. Probieren Sie es mit unserer Vorlage aus.

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